Seit knapp einem halben Jahr ist der amtierende Bischof der Evangelischen
Kirche von Berlin-Brandenburg, Prof. Dr. Wolfgang Huber auch im Amt als neuer
Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tätig. Der
61-jährige Theologe ist auch im Sport kein Unbekannter und den
Sportorganisationen seit längerer Zeit eng verbunden. Der
regelmäßig joggende Bischof hielt Anfang letzten Jahres beim
Jahresempfang des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) in
Berlin einen viel beachteten Vortrag mit dem Titel „Der Sport – ein
Vehikel christlicher Werte?“, der unter
www.berlin-marathon.com/news/show/001164 nachzulesen ist. Das folgende
Interview führte Dr. Detlef Kuhlmann für www.berlin-marathon.com mit
Prof. Dr. Wolfgang Huber. Dr. Detlef Kuhlmann ist langjähriger
Ressortleiter Kultur beim real,- BERLIN-MARATHON und bei SCC-RUNNING.
Nach ihrer Wahl zum Ratsvorsitzenden haben Sie erklärt, dass die Kirche
nicht ein politischer Akteur unter anderen sei, sondern sich um Gottes Willen
politisch einmischen sollte. Lässt sich der Satz auch auf den Sport
übertragen – etwas frei formuliert: „Die Kirche an sich ist
zwar nicht sportlich, aber sie soll sich um Gottes Willen in den Sport
einmischen“?
Wolfgang Huber: Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass die Kirche nicht
sportlich sei? Die Kirche Jesu Christi ist seit über 2000 Jahren auf einem
Marathon unterwegs. Sie trägt die Fackel des Evangeliums durch die Welt.
Weder ist die Kirche als Läuferin in dieser Zeit müde geworden noch
ist ihr die Fackel ausgegangen. Ich behaupte, dass es in der Weltgeschichte
kaum eine Institution gibt, die so sportlich ist wie die Kirche. Schon der
Apostel Paulus hat in seinem Brief an die Philipper geschrieben: „Ich
vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist,
und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung
Gottes in Christus Jesus.“ Wer könnte bei einem solchen
apostolischen Vorbild sich beruhigt auf die faule Haut legen? Nein, das
Christentum ist durch seine Botschaft von Natur aus eine dynamische Religion.
Diese Dynamik muss und soll auch der Kirche inne wohnen. Aus diesem Grund
führen wir gern und fruchtbare Gespräche mit dem Sport. Die Freude an
der Dynamik und an der Bewegung verbindet uns. Gespräche und Begegnungen
finden auf allen Ebenen statt. Unsere Landeskirchen verfügen über
Pfarrerinnen und Pfarrer die als Sportbeauftragte im engen Kontakt mit den
Sportlerinnen und Sportlern in Deutschland stehen. Wir begleiten nicht nur den
Breiten- sondern auch den Spitzensport und wir melden uns zu Wort, wenn wir das
Gefühl haben, dass der Sport gerade im Leistungssport falsche Wege
einschlägt.
Sie gelten innerkirchlich als jemand, der auch für die Stärkung
der kulturprägenden Kraft des Protestantismus einsteht. Gibt es da eine
sportbezogene Dimension?
Wolfgang Huber: Fundamental für die Kultur der Moderne ist der
Grundsatz von der gleichen Würde aller Menschen. Dieser Grundsatz wurzelt
in der Unterscheidung zwischen der Person und ihren Taten; denn nur so
lässt sich gleiche Würde denken. Dieser Ansatz ist zutiefst
protestantisch und er hat unsere Gesellschaft kulturell geprägt. Der Sport
kann diesen Grundsatz erfahrbar machen, wenn er ihm sowohl im Breitensport als
auch im Spitzensport Bedeutung zukommen lässt. Die kulturelle Aufgabe des
Sports besteht unter anderem darin, dass er in seiner personalen Dimension der
Entfaltung der persönlichen Würde dient. Er ist Ausdruck menschlicher
Kreativität und Gestaltungskraft. Im Sport begegnet der Mensch sich selbst
in der Einheit von Körper, Seele und Geist. Dass es zu diesen Begegnungen
kommt, ist und bleibt der kulturelle Auftrag des Sports.
Sie haben vor etwa drei Jahren zusammen mit dem Sportwissenschaftler und
früheren DSB-Vizepräsidenten Prof. Dr. Ommo Grupe einen Sammelband
mit dem Titel „Zwischen Kirchturm und Arena. Evangelische Kirche und
Sport“ herausgegeben. Welche Verbindungen gibt es denn zwischen
beiden?
Wolfgang Huber: Große Leitlinien verbinden die Kirche und den Sport.
Das gilt insbesondere für die von der Kirche und dem Sport
ausdrücklich hervorgehobenen Aussagen zur Lebensbejahung. Beide Partner
setzen sich für die Entfaltung des Lebens ein, drücken ihr Ja zu
Pluralität und zum konstruktiven Diskurs aus und treten für die
Wertschätzung der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein.
Welche konkreten Arbeitsvorhaben von Kirche und Sport stehen unter ihrer
Amtsführung als neuer EKD-Ratspräsident mit Priorität auf der
Agenda?
Wolfgang Huber: Es gilt die Partnerschaft zwischen Sport und Kirche weiter
auszubauen. In meine Amtszeit fallen einige sportliche
Großveranstaltungen. Die Olympischen Spiele werfen ihre Schatten, aber
auch das Deutsche Turnfest im Jahr 2005 oder die Fußballweltmeisterschaft
2006 sorgen schon jetzt für Vorfreude. Diese Sportveranstaltungen werden
ein großes gesamtgesellschaftliches Ereignis. Mein Interesse ist es, dass
der Sport die Chance ergreift, die Kirche mehr als bisher einzubinden.
Hierfür werde ich mich einsetzen. In Berlin wurde im Sommer der Plan
entwickelt, eine christliche Kapelle in den Räumen des Olympiastadions zu
bauen. Dieser Plan ist laut Berliner Senat in der Umsetzung begriffen. Mir
liegt die am Herzen. Wir hören und lesen in den letzten Monaten immer
häufiger von Spitzensportlern, die seelische Probleme unter dem
ständigen Erwartungsdruck bekommen. Das Hören auf die befreiende
Botschaft von Jesus Christus ist ein Weg für Sportlerinnen und Sportler
mit diesen Herausforderungen umgehen zu können.
Lässt es die neue berufliche Herausforderung und der damit verbundene
enge Zeithaushalt eigentlich noch zu, dass sie selbst weiter sportlich aktiv
bleiben können?
Wolfgang Huber: Ja, das muss sein. Ich jogge weiterhin
regelmäßig. Sollte diese Regelmäßigkeit unterbrochen
werden, so wäre dies ein schlechtes Zeichen. Um die Herausforderungen des
neuen Amtes gut bewältigen zu können, bedarf es zweifelsohne einer
körperlichen Fitness. Diese habe ich und diese möchte ich auch
behalten.